Die Corona-Pandemie wird zunehmend als Entwicklungsbeschleuniger für Geschäftsmodelle wahrgenommen. Nicht zuletzt dort, wo zentrale (digitale) Markttrends verschlafen wurden, sind die Auswirkungen von Corona auch positiv konnotiert.

Die Automobilindustrie oder weite Teile des Einzelhandels sind die offensichtlichsten Beispiele. Verhaltensmuster von Kunden und Arbeitnehmern haben sich fast über Nacht verändert. Das bei uns lange als kritisch gesehene elektronische Bezahlen ist plötzlich genau so der neue Standard wie das Arbeiten aus dem Homeoffice. Verstärkt durch die Pandemie verschärfen sich die Brüche in den Lieferketten und die tektonische Nachfrageverschiebung auf dem Weltmarkt erfordert neue Strategien im Business Development.

Bislang galt: “IT follows strategy”, d. h. die C-Ebene in Unternehmen hat den Weg gewiesen in die Digitalisierung von Geschäftsmodellen und Prozessen. Der Druck auf die IT war dabei stets hoch. Zum einen ist es notwendig, die sogenannte Legacy-IT, also die Altsysteme, hochverfügbar zu halten. Diese bewährten Systeme existieren gleichermaßen in Banken oder Versicherungen, der Logistik und in der Produktion. Zum anderen aber sind die IT-Verantwortlichen durch die Unternehmensstrategen (Business Development) einem hohen Druck zur Entwicklung moderner Softwareapplikationen ausgesetzt. Ungebremst eröffnet der technologische Fortschritt ständig neue Chancen: Moore’s Gesetz über die Verdopplung der Transistoren auf einem Chip gilt weiterhin, externer Speicherplatz ist fast kostenlos zu haben und die Übertragungsgeschwindigkeiten werden mit 5G in naher Zukunft einen weiteren Digitalisierungsschub bringen. Korrespondierend hierzu werden die Software-Werkzeuge im Back- und Frontend immer diffiziler und leistungsfähiger.

Weiterhin kommen aus der strategischen Unternehmensentwicklung auch in Zeiten von Corona spezifische Lasten. Hier spielen IT-Integrationsaufgaben aufgrund von Merger & Akquisition ebenso eine Rolle wie klassische Reorganisationen oder Umstrukturierungen mit dem Ziel der Prozessoptimierung. Grundsätzlich gilt: Aus dem Business Development heraus werden Ziele für das Unternehmen entwickelt und die IT feilt an der erforderlichen IT-Strategie, um zur Zielerreichung beizutragen.

Die IT ist dabei der „Dünger für das weitere Unternehmenswachstum“. Dies alles ist kompliziert genug und hat den Charakter eines moving targets, da auch vor Covid schon galt: „panta rhei“, alles fließt.

Das, was mit wenigen Worten hier skizziert ist, bezeichne ich als „good old times“. Covid treibt nun viele Unternehmen und ganze Branchen in die Enge. Nahezu überall werden die Karten neu gemischt und Bestehendes hinterfragt. Zu hausgemachten Problemen – etwa in der Finanz- und Automotive-Welt – kommt nun die Covid-getriebene Disruption der Geschäfte. Wohl dem der – wie etwa Tesla oder Amazon – schon lange kompromisslos IT-strategisch gedacht und gehandelt hat. Aber was ist mit Einzelhandel, Maschinenbau, Chemie etc. Um es sehr pointiert zu sagen: Die Optimierung von Prozessen mit IT wird mittelfristig nicht die geeignete Antwort auf die „neue Welt“ sein.

In meiner Wahrnehmung müssen die IT-Strategen viel stärker Verantwortung für die geschäftliche Entwicklung übernehmen. Die IT muss eine treibende Kraft sein für die Erfassung, Integration, Aufbereitung und Bewertung möglichst vieler Daten im Kontext der jeweiligen unternehmerischen Tätigkeit. In dieser für viele Unternehmen schmerzhaften Zeit muss ein ganz zentraler, nahezu originärer Fokus in der IT darauf gelegt werden, Informationen über Veränderungen im Verhalten von Kunden, Interessenten, Lieferanten im Markt zu identifizieren. Die Unternehmens-IT muss mit Daten und Analysen zu einem Scout werden, der die wesentlichen Erkenntnisse-Spuren liest und damit die Entscheidung über den Überlebenspfad von Unternehmen aktiv mitgestaltet. Schon vor etlichen Jahren wurde diskutiert, ob nicht in jedem Führungskreis eines Unternehmens ein Chief Information Officer (CIO) sitzen muss. Die Diskussion um einen Chief Digital Officer hat bereits vor Corona in diese Richtung gewiesen.

Mehr denn je steht die IT also in der Verantwortung, mit einer immer besseren „Sensorik“ die Grundlagen für den unternehmerischen Entscheidungsraum zu schaffen. Es geht um das schnelle Erkennen neuer Muster, sei es im Konsumverhalten, in veränderten Preiselastizitäten und ganz generell in neue Bedürfnisstrukturen. Essenziell ist hierbei, alle verfügbaren (internen und externen) Daten nutzbar zu machen, um das pandemie-induzierte unternehmerische Risiko zu minimieren. Kurz gesagt: Unternehmen müssen in jeder Hinsicht zu daten-basierten Organisationen werden, indem sie weitaus mehr Daten erfassen und mit einem effektiven Datenmanagement nutzbar machen. Das Feld reicht von herkömmlichen Marktdaten über die Erfolgsmessung von Marketing-Kampagnen bis hin zu Sentimentanalysen in Social-Media-Streams – um nur einige wenige Dimensionen zu nennen.

Schnelligkeit ist heute mehr denn je überlebensentscheidend. In der uns nun länger begleitenden pandemischen Welt wird es ohne ein signifikantes Investment in die Fähigkeit zum Datenmanagement und zur Datenanalyse nicht gehen.