Künstliche Intelligenz erlebt derzeit einen Siegeszug. Dabei meint künstliche Intelligenz sowohl „intelligente Maschinen“ als auch das Teilgebiet der Informatik, das sich mit dem Erreichen solcher Systeme beschäftigt. Die Investitionen von Finanzinvestoren steigen dramatisch an, die großen Internetkonzerne wie Google, Amazon, Facebook, Baidu und Apple überschlagen sich mit Ankündigungen und beim Recruiting der Top-Talente und auch etablierte Konzerne wie IBM investieren dramatisch in das Thema. Immer häufiger liest man von intelligenten Anwendungen, die immer mehr Aufgaben übernehmen können, die vormals Menschen vorbehalten waren.

Eine kurze Geschichte der Künstlichen Intelligenz: Von der Euphorie zum Tiefpunkt

Um dieser Frage nachzugehen möchte ich mit Ihnen einen kleinen Ausflug in die Geschichte der Künstlichen Intelligenz übernehmen um unsere heutige Situation besser in diesem Kontext beurteilen zu können. Hieraus ergeben sich Mutmaßungen für die nähere Zukunft und die Auswirkungen auf uns – als Menschen, Gesellschaft und in unserem kommerziellen Umfeld.

Als Geburtsstunde der Künstlichen Intelligenz gilt die „Dartmouth Conference“ 1968. Die anfänglichen Erfolge führten zu einer Euphorie, die sich in Äußerungen der „Urväter“ wie den folgenden widerspiegeln:

  • „machines will be capable, within twenty years, of doing any work a man can do.“
    (Herbert Simon, 1965)
  • „within a generation the problem of creating ‚artificial intelligence‘ will substantially be solved“
    (Marvin Minsky, 1967)

Tatsächlich zeigte sich aber, dass es für den praktischen Einsatz nicht genügt, Probleme „im Prinzip“ zu lösen. Die Skalierung auf die Komplexität der realen Welt erwies sich als problematisch, so dass sich Ender der 1970’er Jahre ein sogenannter „KI Winter“ einstellte, in dem die Forschungsgelder für die junge Disziplin dramatisch zurückgeführt wurden. Auf die Phase maximaler Euphorie folgte der Tiefschlag (mustergültig dem Gartner Hype Cycle folgend).

Die Euphorie kommt zurück

In der darauf folgenden Zeit stellen sich nach einer zeitweisen Ära von Expertensystemen sukzessive Erfolge ein, zum Beispiel im Jahr 1996 als Deep Blue gegen den amtierenden Schachweltmeister Garri Kasparow gewinnt. Immer mehr verschiebt sich damit auch unsere Vorstellung davon, was überhaupt Intelligenz ist und welche Teile davon schwierig durch Maschinen zu erreichen sind. Galt anfänglich Schach noch als Musterbeispiel der Intelligenz, rückten zunehmend scheinbar einfache Dinge in den Vordergrund wie unsere Sinneswahrnehmungen, also konkret zum Beispiel unsere Fähigkeit, Objekte zu erkennen, mit Sprache umzugehen und komplexe Koordination vorzunehmen wie dies beim Autofahren erforderlich ist.

Aber auch hier haben die Maschinen aufgeholt. Ein Meilenstein ist der Sieg von Watson bei der Quizshow Jeopardy! 2011 gegen die Champions Brad Rutter und Ken Jennings. Bei Jeopardy! werden Antworten aus unterschiedlichen Kategorien präsentiert, für die die Kandidaten möglichst schnell eine passende Frage formulieren müssen. Die Aufgaben sind häufig bewusst mehrdeutig formuliert und erfordern die Verknüpfung mehrerer Fakten, was ein Computersystem vor signifikante Herausforderungen stellt.

Von den Erfolgen autonom fahrender Automobile liest man fast täglich. So hat die Google-Flotte aus 20 Fahrzeugen 2009-2015 insgesamt 1,5 Millionen Kilometer autonom fahrend zurückgelegt und war dabei in ganze 11 Unfälle verwickelt – ohne jeden Personenschaden und ohne auch nur an einem der Unfälle schuldhaft gewesen zu sein.

Anfang 2017 macht IBM auf sich aufmerksam indem bei einer kleinen Japanischen Versicherung (Fukoku Mutual Life Insurance) ein Drittel der Belegschaft in der Zahlungsabteilung durch IBMs Watson System ersetzt wird. Damit wird eindrucksvoll deutlich, dass Systeme der künstlichen Intelligenz das Potenzial haben, Jobs im Bereich der Wissensarbeiter zu automatisieren und damit zu ersetzen.

Aus technischem Blickwinkel ist bemerkenswert, dass speziell der Ansatz künstlicher Neuronaler Netzes (speziell mit dem „Deep Learning“) eine gewaltige Renaissance erlebt hat, wobei sich an den Fundamenten im Grunde seit Mitte der 1970’er eher graduell verändert haben. Wesentlich für den Erfolg scheint, dass heutzutage große Datenmengen für maschinelle Lernverfahren zu Verfügung stehen („Big Data“) und wir fast augenblicklich Zugang zu großer Rechenleistung haben („Cloud“). Wesentlich bei maschinellen Lernverfahren ist, dass einem Computer nicht ein fertiger Algorithmus einprogrammiert wird sondern der Computer den Algorithmus aus Trainingsdaten selbständig lernt. Gerade im Bereich der Wahrnehmung (von Bildern, Videos und Tönen), der Übersetzung und auch der Robotik sind viele Anwendungen erst hierdurch möglich geworden.

Was bringt die Zukunft?

Eine Denkschule (mit durchaus prominenten Vertretern wie Elon Musk oder Stephan Hawkings) sieht zwar großes Potenzial in der Künstlichen Intelligenz Armut zu verringern und Krankheiten zu besiegen, warnt aber davor, dass wir etwas schaffen, dass wir nicht mehr kontrollieren können. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass wir Maschinen mit einem konstanten Intelligenzniveau nahe dem menschlichen schaffen (wie dies speziell im Bereich von Science Fiction populär ist). Denn würden wir menschliche Intelligenz in einer Maschine erzeugen, könnte sich diese Maschine vergleichsweise einfach selbst verbessern um sich zu einer Superintelligenz aufzuschwingen, die Menschen dramatisch hinter sich lässt.

Andere sind der Meinung, dass wir in absehbarer Zeit nur auf spezielle Fachgebiete und Anwendungen zugeschnittene Systeme sehen werden, die im engen Fokus ihrer Tätigkeit die menschliche Leistung übertreffen, aber hierauf beschränkt bleiben. Ein selbstfahrendes Auto mag unsere Leistung im Autofahren übertreffen, wird aber kläglich daran scheitern, ein Meeting zu moderieren.

Unstrittig ist indes, dass sich die Leistungsfähigkeit von Künstlicher Intelligenz sukzessive weiter steigert. Dazu trägt auch das Mooresche Gesetz bei (dass sich die Leistungsfähigkeit von Computern etwa alle 18 Monate verdoppelt) sowie der Umstand, dass sich die digital verfügbaren Datenmengen grob alle 2 Jahre verdoppeln. Bei beiden exponentiellen Entwicklungen ist kein Ende in Sicht.

Unsere Welt wird sich durch Verfahren der Künstlichen Intelligenz verändern. Wir merken dies unter anderem in unserem Umfang mit Computersystemen (meist in der Cloud). Führten früher gleiche Eingaben zu gleichen Ausgaben ohne weitere Nebeneffekte, „beobachten“ uns die Systeme mittlerweile, lernen aus unserem Verfahren und passen sich uns an (besonders gut zu beobachten in Form der personalisierten Werbung) . Unsere Beziehung zu technischen Systemen verändert sich und wir stehen diesbezüglich erst am Anfang.

Im Geschäftsleben wird sich der Trend fortsetzen, dass gewisse Tätigkeiten durch Computer ersetzt oder ergänzt werden, zum Beispiel die Erkennung von Mustern in bildgebenden Verfahren der Medizin oder klassische Schreibtischjobs wie die Recherche zur Klärung juristischer Zweifelsfälle. Einerseits bietet dies Chancen für Unternehmen und Organisationen, die diesen Trend vorteilhaft für sich zu nutzen wissen. Andererseits bedroht es den Arbeitsplatz von vielen Menschen, die sich bislang nicht als mögliches Opfer einer Automatisierung vermutet hätten.

Bemerkenswert ist, dass die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine eine noch höhere Bedeutung bekommen könnte, gelegentlich als „Augmented Intelligence“ bezeichnet. Im Zusammenspiel zwischen Mensch und Künstlicher Intelligenz lassen sich die jeweiligen Stärken vereinen um die Leistungsfähigkeit zu maximieren. Auch im Schach ist eine Kombination aus Menschen und Computern derzeit jedem Menschen und jedem Computer überlegen, wobei interessanterweise im Team nicht der beste Schachspieler der Welt oder der stärkste Computer erforderlich ist sondern eine gut aufeinander eingestellte Kombination, die die Zusammenarbeit in den Vordergrund stellt.

Ob Augmented Intelligence der Weisheit letzter Schluss ist oder nur ein Intermezzo bis zur Superintelligenz, wird niemand heute fundiert beurteilen können. Wir werden sehen.